Nutzwertgutachten bei Eigentumswohnungen
Für jedes Mehrparteienhaus, bei dem die einzelnen Wohnungen unterschiedlichen Personen gehören, wird ein Nutzwertgutachten erstellt. Denn es muss klar geregelt werden, wer welchen Anteil am gesamten Gebäude besitzt. Speziell für die Aufteilung von Betriebs- und Instandhaltungskosten ist das essenziell. Betroffen sind in erster Linie Eigentumswohnungen. Wir zeigen in diesem Beitrag, welche Aussagekraft und Bedeutung das Nutzwertgutachten hat und worauf dabei zu achten ist.
Warum ist das Nutzwertgutachten wichtig?
Gäbe es kein Nutzwertgutachten, das darüber entscheidet, wie die Eigentumsverhältnisse der einzelnen Objekte innerhalb einer gemeinsamen Liegenschaft geregelt sind, würde sogenanntes „schlichtes Miteigentum“ vorliegen. Das bedeutet, dass mehrere Personen Miteigentümer einer Sache sind. Die Auswirkungen zeigen sich am besten anhand eines Beispiels:
Es einigen sich drei Freunde darauf, gemeinsam ein Grundstück zu kaufen. Sie einigen sich darauf, dass einer Person die Hälfte der Fläche gehört, die anderen beiden teilen sich die übrigen 50 Prozent. Bei schlichtem Miteigentum gibt es keine nähere Spezifizierung. Die Folge: Allen gehört ein bestimmter Teil der Fläche, aber es nirgends geregelt, wem welcher Teil gehört.
Aus genau diesem Grund gibt es ein Nutzwertgutachten. Dieses regelt klar, welche selbstständigen Einheiten innerhalb eines Gebäudes vorhanden sind und welche Nutzungsrechte für die jeweiligen Flächen vorliegen. Durch die Aufteilung können die einzelnen Einheiten dann getrennt im Grundbuch eingetragen werden, während ansonsten nur die gesamte Immobilie im Grundbuch ersichtlich wäre.
Bedeutung des Nutzwertgutachtens
Das Nutzwertgutachten regelt die Aufteilung eines Gebäudes und die Eigentumsverhältnisse innerhalb der Liegenschaft. Das Gutachten zeigt, welche einzelnen Wohnungseigentumsobjekte innerhalb einer Immobilie vorhanden sind. Es definiert auch, welches Ausmaß an Miteigentum jemand, der eine einzelne Wohnung in diesem Haus erwirbt, an der Gesamtliegenschaft besitzt.
Parifizierung
Die Berechnung der Nutzwerte wird auch als „Parifizierung“ bezeichnet. Häufig wird nur von „der Parifizierung“ gesprochen, doch genau genommen beschreibt dieser Begriff den Vorgang der Nutzwertermittlung. Das Ergebnis der Parifizierung sind die fertig berechneten Nutzwerte innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft oder von Eigentümern anders aufgeteilter Objekte.
Wozu wird ein Nutzwertgutachten benötigt?
Durch das Nutzwertgutachten werden verschiedene Aspekte rund um das Miteigentum einer Liegenschaft geregelt. Die wichtigsten Punkte sind:
- Formelle Aufteilung des Gebäudes: Das Nutzwertgutachten legt fest, dass wer eine bestimmte Wohnung besitzt, einen Nutzwert von X hat. Für die Ermittlung des Nutzwertes ist eine Berechnungsformel nötig.
- Verteilung von Kosten: Manche Kosten müssen auf alle Miteigentümer verteilt werden. Als Schlüssel für die Kostenteilung wird nicht die Quadratmeteranzahl der jeweiligen Wohnung herangezogen, sondern die Verteilung erfolgt auf Basis der Nutzwerte.
- Wohnungseigentumsvertrag: Das Nutzwertgutachten und der Wohnungseigentumsvertrag gehen de facto Hand in Hand. Der Wohnungseigentumsvertrag regelt u. a. das alleinige Nutzungsrecht der jeweiligen Eigentumsobjekte – diese sind wiederum im Nutzwertgutachten definiert. Somit ist immer auch ein Nutzwertgutachten nötig, um einen Wohnungseigentumsvertrag abschließen zu können.
- Stimmrechte: Theoretisch ist es zulässig, dass die Stimmrechte (z. B. bei der Eigentümerversammlung) nach Nutzwerten gewichtet werden. In der Praxis kommt das jedoch nur selten vor.
Vereinfacht ausgedrückt dient das Nutzwertgutachten vor allem dazu, Kosten nicht nach der Wohnfläche auf die Eigentümer umlegen zu müssen. Da die Berechnung der Nutzwerte mit einem Berechnungsschlüssel erfolgt, weichen die Nutzwerte häufig von der Quadratmeterzahl ab. Das soll zu einer faireren Kostenverteilung führen. Formal hat das Gutachten noch weitere Funktionen, so ist es z. B. auch mit dem Wohnungseigentumsvertrag verbunden und liegt diesem häufig als Anhang bei.
Nutzwert berechnen
Ein Beispiel erklärt dieses etwas sperrige Thema am besten. Das Nutzwertgutachten zeigt, wie groß eine Wohnung exakt ist. Üblicherweise erfolgt die Angabe der Wohnfläche auf zwei Kommastellen genau. Nehmen wir an, die Wohnung hat exakt 50,00 m². Anschließend werden Zu- und Abschläge einkalkuliert. So gibt es beispielsweise einen Zuschlag, wenn die Wohnung südseitig ausgerichtet ist, aber einen Abschlag, wenn sie sich im Erdgeschoß befindet.
Wer berechnet den Nutzwert?
Für die Berechnung muss ein Hochbau-Ziviltechniker oder ein gerichtlicher Immobiliensachverständiger beauftragt werden. Dieser nimmt auch die Ermittlung der exakten Nutzfläche der Wohnungen vor, die dann eben mit Zu- und Abschlägen in die Ermittlung des Nutzwertes einfließt. Bei der Berechnung der Nutzfläche wird sogar die Fläche von Wänden und Türöffnungen abgezogen. Bei Loggien, Terrassen und Balkonen kommt es auf die genauen Gegebenheiten an, ob und mit welchem Ausmaß diese einkalkuliert werden.
Wie teuer ist ein Nutzwertgutachten?
Die Kosten für das Nutzwertgutachten können recht unterschiedlich ausfallen. Sie hängen primär von der Größe der Liegenschaft ab. Als Richtwert können ungefähr 2,50 bis 3,50 Euro pro Quadratmeter veranschlagt werden. Auch die Vereinbarung eines Pauschalpreises ist meist möglich.
Die Kosten müssen selbst getragen werden, sie können also nicht an die Mieter des Gebäudes weiterverrechnet werden.
Wann wird ein Nutzwertgutachten erstellt?
Häufig sind ganze Zinshäuser im Besitz einer einzelnen Person. Solange das der Fall ist, wird kein Nutzwertgutachten benötigt. Doch dann kann es mehrere Szenarien geben, die eine Parifizierung nötig machen:
- Abverkauf einzelner Bestandswohnungen: Sie besitzen ein Zinshaus, möchten nun jedoch die Wohnungen einzeln abverkaufen? Egal, ob diese vermietet sind oder leer stehen, für den Verkauf der einzelnen Einheiten ist eine Parifizierung nötig.
- Schaffung neuer Wohneinheiten zum Verkauf: Sie besitzen ein Zinshaus und möchten das Dachgeschoß ausbauen. Die neu errichteten Wohnungen möchten Sie jedoch nicht vermieten, sondern einzeln verkaufen. Auch in diesem Fall ist die Parifizierung durchzuführen.
- Nutzwertgutachten muss angepasst werden: Es liegt zwar ein Nutzwertgutachten vor, doch dieses weicht um mehr als drei Prozent von den tatsächlichen, realen Gegebenheiten ab. In diesem Fall können Eigentümer binnen eines Jahres eine Änderung beantragen. Bei komplexeren Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern kann es ebenfalls sinnvoll sein, gemeinsam zu entscheiden, dass es zu einer neuen Festlegung der Nutzwerte kommen soll.
- Vorsorgliche Parifizierung eines Gebäudes: Sie besitzen ein Zinshaus und möchten dieses irgendwann vererben oder verschenken. Wenn eine Erbengemeinschaft ein Haus erbt, ist es typischerweise sehr schwierig aufzuteilen. Das führt meist zum Verkauf des gesamten Gebäudes. Indem Sie das Haus parifizieren lassen, können Sie genau definieren, wer einmal welche Wohnung bekommen soll.
Nutzwertgutachten erstellen lassen: Ablauf
Wenn Sie ein Nutzwertgutachten für eine Immobilie erstellen lassen möchten, die bisher in Ihrem alleinigen Eigentum steht, holen Sie am besten Angebote mehrerer Ziviltechniker ein. Prüfen und vergleichen Sie die Kosten und legen Sie auch fest, bis wann genau die Erstellung des Gutachtens abgeschlossen werden muss, denn Ziviltechniker sind häufig längere Zeit hinweg ausgebucht.
Beauftragen Sie einen gut bewerteten Ziviltechniker, der Ihnen einen fairen Preis und eine realistische Deadline angeboten hat. Informieren Sie in weiterer Folge die Mieter darüber, dass eine Begehung der Wohnung durch den Ziviltechniker nötig sein wird. Kommunizieren Sie den Termin möglichst lange vorab und stellen Sie sicher, dass der Zutritt zu allen Räumlichkeiten uneingeschränkt möglich ist. Ansonsten ist ein weiterer Termin nötig, wodurch Zusatzkosten entstehen können.
Insgesamt nimmt die Erstellung eines Nutzwertgutachtens mehrere Wochen, oft auch ein paar Monate, in Anspruch.
Nutzwertgutachten beim Wohnungskauf
Wenn Sie eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus kaufen möchten, sollten Sie das Nutzwertgutachten vorab genau prüfen. Liegt ein Gutachten vor, ist das bereits positiv, denn somit handelt es sich nicht um Miteigentum, sondern um eine wirklich eigenständige Wohneinheit.
Prüfen Sie darüber hinaus, ob das Gutachten in sich stimmig ist. Es zeigt sich normalerweise schon auf den ersten Blick, ob die Daten realistisch sind. Meist ist das der Fall, aber manchmal enthalten Nutzwertgutachten auch völlig fehlerhafte Daten, die nie korrigiert wurden – beispielsweise, wenn mehrere Wohnungen zusammengelegt wurden oder es in der Vergangenheit möglicherweise nicht genehmigte bauliche Veränderungen gab.
Besprechen Sie das Gutachten am besten mit dem Verkäufer, gegebenenfalls auch mit der Hausverwaltung (Achtung: Der Verkäufer muss seine Zustimmung erteilen, ansonsten gibt Ihnen die Hausverwaltung als Kaufinteressent üblicherweise keine Auskünfte) und falls Unklarheiten vorliegen am besten auch mit einem auf Immobilienrecht spezialisierten Rechtsanwalt.